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Das offene Ich

*Das offene Ich*

*Das offene Ich*

Während der Erkrankung meines Sohnes habe ich mich, zugegebenermaßen, selbst sehr vernachlässig. Mein Körper und meine Seele sind nach und nach explodiert und alles was da in mir schlummerte ist nun erwacht. Ich bin schwer chronisch krank, die Einstellung erfolgt nur mässig und es kommen immer mehr neue Baustellen hinzu. Am 20.06.2020 kam ich also über die Rettungsstelle stationär ins Krankenhaus. Und stehe einmal mehr auf der anderen Seite...

22.06.2020 
Die Schwester heute früh wusste nicht einmal von meinen Vorerkrankungen. Sie diskutiert weshalb ich meine Tabletten (wo das Morphium bei ist) nicht einfach jetzt nehme (morgens um 6:30 Uhr) - ich erkläre ihr, dass es sich um meine Basismedikation handelt, die ich nicht mal eben nehmen kann wann ich will, sondern zu festen Zeiten nehmen muss, um eingestellt zu bleiben. Sie diskutiert ob die Novalgintabletten nicht ausreichen - ich schreie innerlich, denn nein, natürlich reichen sie nicht aus, wie auch. Nach langem Hin- und her bekomme ich mein Schmerzmittel gespritzt. 
Der Arzt kommt wenig später vorbeigeshuscht um zwischen Tür- und Angel die Symptomatik abzufragen. „Aber sonst geht Bewegung gut, ne?!“ Schon fast im Gehen... Ähm, nein, so im akuten Rheumaschub ist Bewegung nicht so gut gerade... ach Rheuma hätte ich auch. Lesen die hier irgendwann mal irgendwas? Ne, ich nehm die Latte an Medis nur weil die übrig waren, und bevor die verfallen... 🙄🤷🏼‍♀️

Verlegung: 
Ich komme in einem 4 Bettzimmer unter, weil auf der Komfortstation nichts frei war. Ich hätte gerne zugezahlt weil ich spüre, dass ich meine Ruhe brauche, runter fahren muss. 
Nein, keine weiteren Infos, nur, dass wir auf das MRT warten- das kann wohl dauern. 
Draußen wird Rasen gemäht, das Zimmer ist direkt an der Spüle, die Tür steht permanent auf um die Überwachung der Mitpatientinnen leichter zu machen - wird sicher sehr ruhig über Nacht.
Der Pfleger (der sich kaum bewegen kann weil er so korpulent ist, dass kaum noch was geht und bei jedem Schritt stöhnt- und nein, ich möchte ihn nicht bewerten, ich merke nur, wie er bei jeder Bitte meinerseits selbst an seine Grenzen stößt - Koffer rein heben beispielsweise und sein Augenrollen ist fast zu hören), zieht ein Gesicht, dass keinerlei Empathie und Bereitschaft erkennen lässt und spricht mit mir wie mit einem Kleinkind. „Das knallt heute noch“, denke ich so bei mir.
Ich bin überreizt, gestresst und habe einfach nur noch Schmerzen, seit Tagen, unerträglich. Kann mich kaum noch bewegen, oder sitzen, oder liegen, oder stehen, oder schlafen. 
Heute ziehen sie sich stärker als sonst - es nervt nur noch alles - ich möchte heulen und tue es auch.
Es liegen zwei ältere Damen in meinem Zimmer, der vierte Platz ist gerade in der OP. Eine hat einen Schenkelhalsbruch und Toilettenstuhl im Zimmer, die andere eine Fraktur des Beines. Beide recht freundlich aber redselig und reden ist das Letzte das ich mit Schmerzen möchte aktuell. Unhöflich erscheinen aber auch nicht. 
Ach man. Die eine tut mir leid, ihr Mann ist gerade verstorben und vor lauter Schreck über die Nachricht ist sie die Treppe runter und bähm Schenkelhalsbruch und Becken - alles schlimm - sie ist auch nett, mir tut sie leid und die Krankenschwester kommt durch aber das macht es nicht besser 😩 Ich kann jetzt keine Krankenschwester sein, ich muß PATIENTIN sein dürfen. Aber mein Kopf stellt sich nicht um und so helfe ich ihr das Bett hochzustellen, weil sie nicht schon wieder klingeln möchte, weil der Pfleger so viel zu tun hat. 
Und schon geht’s wieder los.
Ich fordere mir Schmerzmed ab und es wird diskutiert und mir gesagt ich solle erstmal „die langen“ (🙄, ich kann sogar den Wirkstoff von denen sofort aussprechen, vermutlich hab ich sowieso mit meinen Fachweiterbildungen eine bessere Ausbildung als der Pfleger!) nehmen- und ich debattiere und argumentiere und es nervt einfach nur.
Die lesen was ich nehme aber nicht wie ich es nehme und dass ich die Tabletten eben nicht nehmen kann wie ich will. Es stresst so, ich bin so müde und fühle mich so bevormundet. Das ist überhaupt das Schlimmste. Dieses „ausgeliefert sein“, betteln müssen. Ich habe das noch nie verstanden und bei meinen Kollegen immer gehasst. 
Bin nur noch am heulen hier - da kann man ja nicht gesund werden. 😔

Es hat knapp 2h gedauert! 2 Stunden in denen ich 3 Mal geklingelt habe und um meine Bedarfsmed gebeten. In denen ich vertröstet wurden und erklären musste, wie ich medikamentös eingestellt bin und wieso. Und dann bekam ich, nachdem die Schmerzen sich wieder einmal manifestiert hatten, meine Spritze mit den Bedarfsmed. Und ich versuche zu schlafen und Ruhe zu finden, zwischen dem Rasenmähen, den Gesprächen meiner Mitpatientinnen, der Spüle die unentwegt läuft und dem Personal das rein und raus läuft. Meine Augen fallen zu, aber mein Geist kommt nicht zur Ruhe, wie auch...
Kaum dass ich weggenickt bin, kommt der Transport zum MRT. Gott sei Dank. Ein Schritt weiter! 

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